Fotopolymerdrucke auf Bütten, Auswahl aus der Serie Der Schatten der toten Tiere 2014,
Ausstellung Atelierhaus Museion Bozen
Die Gegebenheit, dass sich Joseph Zoderer dazu entschlossen hat, seinen letzten Roman „Die Farben der Grausamkeit“ in der Villa Moessmer in Bruneck zu schreiben, hat unterschiedliche Verbindungspunkte zwischen der Welt des Autors und der der bildenden Kunst veranlasst, oder vielleicht auch nur enthüllt. Die Bereitstellung der Villa geschah dank einer der Künstlerinnen – Julia Bornefeld – die seit einiger Zeit ihr eigenes Atelier auf dem Gelände der Villa haben. Die Visualisierung des Arbeitsprozesses des Romans mittels handgeschriebener Manuskripte, die an den Wänden im Inneren des Gebäudes befestigt sind, kann als künstlerische Installation tout court verstanden werden.
In diesem glücklichen Zusammenwirken von Ereignissen hat sich auch Irene Hopfgartner, eine junge vielseitige Künstlerin, eingefügt. Sie hat, beauftragt, die analog geschriebenen Seiten von Joseph Zoderer in eine digitale Form zu übertragen, ihren Aufenthalt in der Villa in eine neue Arbeit verwandelt. Die Fotografien, die die junge Künstlerin im Rahmen ihres Aufenthaltes in der Villa Moessmer gemacht hat, dienen als Ausgangspunkt für die ausgestellten Arbeiten, die seis vom technischen Punkt als auch von der Art der Präsentation eine starke Bindung mit der Arbeit Joseph Zoderers eingehen. Wenn auch die erste Aufgabe von Irene Hopfgartner in der Villa war, die handgeschriebenen Manuskripte zu digitalisieren, so hat die Künstlerin im Produktionsprozess der eigenen Arbeiten bewusst versucht, sich an die Art des Schreibens von Joseph Zoderer anzulehnen, indem sie die Fotografien auf Metallplatten übertrug und sie anschließend auf Bütten ganz nach einem analogen Verfahren druckte. Die Präsentation der Bilder, losgelöst von Rahmen, einfach in einer fragmentarischen Art und Weise an die Wand geheftet, weist auf eine weitere Art auf die bedeutungsvolle visuelle und formale Präsenz der aufgehängten handgeschriebenen Blätter in den Zimmern der Villa hin. Um tiefer in den Wert der fotografischen Installation „ Der Schatten der toten Tiere“ einzutauchen – der Titel ist ein Zitat aus der Gedichtsammlung des Schriftstellers („Liebe auf den Kopf gestellt“) -, die Künstlerin erklärt, dass ihr Interesse nicht darin bestand, Portraits zu machen, sondern die Atmosphäre der Orte, in denen sich Zoderer bewegte, einzufangen.
Es sind Bilder entstanden, die aufgrund des Prozesses der Umsetzung eine starke Verbindung mit den Ursprüngen der Fotografie haben. Die Fotografien, die Fragmente in den Mittelpunkt stellen, sind von bewusst malerischem Wert. Die Künstlerin selbst spricht es an und unterstreicht, dass ein Annähern an das Bild dasselbe abstrakt erscheinen lässt, in der Entfernung erkennt man es deutlich als Fotografie. Das Schwarzweiß der abgelegten Blätter auf einem Stuhl zum Beispiel weißt auf die Eingriffe im Gummidruck am Anfang des 19. Jhdts in den eigenen Bildern des Franzosen Robert Demachy (1859-1938). Der Schatten, den ein Stuhl auf den Parquetfussboden wirft, erinnert, andererseits, an einige Bilder der Straigt Photography, verwendet vom Amerikaner Paul Strand (1890-1976). Diese direkten Bilder („straight“) sollten die schwarzweißen Kontraste hervorheben und die abstrakte Sprache des Kubismus wiederaufgreifen. Die Beobachtung der Lichter und Schatten und der Wille, den abstrakten Charakter des fotografischen Details hervorzuheben, hat sich wiederholt in der Geschichte der Fotografie gezeigt und kann nicht wirklich auf einen bestimmten Zeitraum festgelegt werden. Es ist eine estetische Entscheidung, bedingt durch die maximale Schliessung der Blende, die die vertraute Qualität eines fotografierten Objekts an die Oberfläche bringt.
Irene Hopfgartner, eine Künstlerin, die ihre eigenen Arbeiten aufgrund der Situationen, in die sie sich bringt, wachsen lässt, hat in diesem Fall angemessen diesen Faden der Fotografie behalten um in Einklang mit dem Arbeitsprozess Zoderes zu kommen. Das Ergebnis ist eine koerente Fotoinstallation mit einer poetischen ausdrucksvollen Stärke.
Letizia Ragaglia, Direktorin Museion Bozen